Aktionswoche Schuldnerberatung

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Bildrechte Christophorus Gesellschaft

Der Gedanke an seine Schulden marterte Norbert R. (Name geändert). Immer hatte er darauf geachtet, finanziell gut über die Runden zu kommen. Doch in den letzten beiden Jahren hatte das Schicksal mehrfach zugeschlagen. Seine Frau verlor ihren Teilzeitjob. Er selbst wurde krank und fiel aus. „In dieser Situation ging dann auch noch die Waschmaschine von Herrn R. kaputt“, erzählt Robert Morfeld von der Schuldner- und Insolvenzberatung der Würzburger Christophorus-Gesellschaft.

Bisher hatte es Norbert R. immer geschafft, sich mit eignen Kräften aus einer Notlage zu befreien. Doch diesmal war er mit allem völlig überfordert. Deshalb meldete sich der 45-Jährige vor kurzem bei der Schuldner- und Insolvenzberatung. Allerdings tat er das mit einem mulmigen Gefühl. Die erste Begegnung mit Robert Morfeld überraschte ihn. „Warum sind Sie hier?“, fragte ihn der Sozialpädagoge. Norbert R. konnte ein Lachen nicht unterdrücken. Obwohl ihm alles andere als zum Lachen zumute war. „Na, warum wohl?“, meinte er: „Ich komm finanziell überhaupt nicht mehr klar.“ Das habe er geahnt, erwiderte Robert Morfeld. Und hakte nach: „Wie geht es Ihnen denn damit?“
Dass hatte Norbert R. bisher noch niemand gefragt. Selbst diejenigen, die von seiner finanziellen Misere wussten, hatten ihm diese Frage noch nie gestellt. Nun brach es aus dem zweifachen Familienvater heraus. Er gab zu, dass er überhaupt kein Land mehr sah. Alles werde teurer, meinte er. Beim Tanken falle die Rechnung jedes Mal höher aus. Der wöchentliche Lebensmitteleinkauf für die vierköpfige Familie koste teilweise 50 Euro mehr als bisher. Auch zeichnet sich ab, dass es eine heftige Stromnachzahlung geben würde. Er komme, gab Norbert R. zu, gar nicht mehr zur Ruhe. Abends bringe er sich mit zwei Flaschen Bier runter. Früher sei ihm so etwas völlig fremd gewesen.
Was Norbert R. sehr überraschte, ist für Robert Morfeld und seine Kollegen ganz normal: Sie kümmern sich nicht nur um die Schulden ihrer Klientinnen und Klienten. Es geht ihnen im Gegenteil zunächst darum, diejenigen, die zu ihnen kommen, seelisch zu stabilisieren. Denn den meisten geht es sehr schlecht. „Hier bei uns fließen oft Tränen“, sagt Morfeld. Die Menschen seien verzweifelt. Sie fühlten sich in einer ausweglosen Situation gefangen. Manche sind auch zornig. Weil sie nicht verstehen können, warum das Schicksal gerade bei ihnen so harsch zuschlägt. Wo sie sich doch immer darum bemüht hatten, alles richtig zu machen.
Natürlich geht es im Laufe des Beratungsprozesses auch um die Schulden und Verbindlichkeiten der Klienten. Doch gute Lösungen können nur dann erarbeitet werden, wenn die Klienten emotional stark genug sind für eine konstruktive Mitarbeit. Dieses Prinzip unterscheidet die psychosoziale Schuldnerberatung von rein wirtschaftlich orientierten Anbietern. Beim zweiten Kontakt mit Norbert R. ging Robert Morfeld alle Ausgaben und Einnahmen seines Klienten durch. Zusammen entdeckten die beiden einiges an Sparpotential. Das Abo für das Fitnessstudio zum Beispiel war überflüssig, weil es Norbert R. schon seit längerem keinen Spaß mehr macht, zum Training zu gehen.
Schulden können aus sehr vielen Gründen entstehen. Da ist zum Beispiel der Senior, dessen Rente nicht reicht. Bisher besserte er sein Alterseinkommen mit einem Nebenjob in der Gastronomie auf. Der fiel jedoch aufgrund der Corona-Krise weg. Arbeitslosigkeit, Scheidungen oder Erkrankungen sind weitere Gründe, warum Menschen in eine Schuldenspirale geraten. Sehr viele sind betroffen. Allein die Christophorus-Gesellschaft beriet im vergangenen Jahr fast 1.300 Menschen aus Stadt und Kreis Würzburg. Wichtig wäre es, so Robert Morfeld, würden die Betroffenen früher kommen: „Und nicht erst, wenn das Kind bildlich gesprochen schon auf dem Grund des Brunnens liegt.“
Einmal im Jahr wird deutschlandweit darauf hingewiesen, dass es in jeder Kommune unentgeltlich seriöse und sozial ausgerichtete Hilfe gibt. Dies geschieht bei der Aktionswoche Schuldnerberatung. Vom 30. Mai bis 3. Juni findet die heuer zum 23. Mal statt. „… und plötzlich überschuldet“ heißt der Titel der Kampagne. Er hebt darauf ab, dass in den vergangenen zwei Jahren Menschen krisenbedingt in finanzielle Not gerieten, die sich das nie hätten vorstellen können. Wobei das Gros der Klientinnen und Klienten der ökumenischen Christophorus-Gesellschaft nicht von plötzlichen Schulden betroffen ist. „Meist handelt es sich um einen längeren Prozess“, so Morfeld.
Bedingt durch die Corona-Krise gbt es jedoch tatsächlich Menschen, die nun ganz unvermutet in einer finanziellen Misere stecken. Das betrifft zum Beispiel bildende Künstler, Schauspieler, Tänzer, Sänger oder Musiker. Plötzlich gab es keine Möglichkeit mehr, Bilder auszustellen. Plötzlich waren die Theater zu. Plötzlich war jeder Auftritt verboten. Und zwar über Monate hinweg. Die Einnahmen blieben aus. Und konnten auch durch staatliche Hilfen nicht völlig kompensiert werden. Wer keine Rücklagen gebildet hatte und vielleicht sogar zusätzliche Ausgaben verkraften musste, etwa, weil das Auto kaputtging, wusste mit einem Mal finanziell nicht mehr weiter.

Die Schuldner- und Insolvenzberatung ist montags, mittwochs und freitags von 9 bis 11 Uhr sowie donnerstags von 14 bis 16 unter 0931-322413 zu erreichen.

(Christophorus-Gesellschaft)